Was macht ein Wissenschafter? Bücher studieren, Vorlesungen halten, Experimente im Labor durchführen oder doch von allem etwas? Die Öffentlichkeit kann sich oft kein konkretes Bild machen.

Foto: privat

Die es haben, können in ihrem Fach weit kommen, die anderen sind in einer prekären Lage. Peter Illetschko fragte.

* * *

STANDARD: Werden Wissenschafter und deren Arbeit in Österreich geschätzt?

Pernicka: Da die Österreicher titelverliebt sind, macht es auf sie natürlich Eindruck, wenn sie eine Akademikerin vor sich haben. Frau Professor - da klingen auch Respekt und Hochachtung durch. Wenn die Österreicher dann noch hören, dass man an einer Universität arbeitet, dann sehen sie vor allem die Lehre, also überfüllte Hörsäle, vor sich. Sie wissen nicht, wie die wissenschaftliche Arbeit ausschaut, denn diese ist auch nicht sichtbar. In der Biologie denkt man immerhin an Labors. In den Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften existieren nur diffuse Vorstellungen von vielen Büchern, von vielen Stunden in Bibliotheken, aber nichts Konkretes.

STANDARD: Was müsste man ändern, um in der Öffentlichkeit ein konkreteres Bild von dieser Arbeit zu schaffen und den Wissenschafter nicht nur als Vortragenden im Hörsaal zu zeigen?

Pernicka: Es entspricht ja der Realität, dass die wissenschaftliche Arbeit an den Rand gedrängt ist. Neben der Lehre bleibt wenig Platz. Man müsste sich fragen, was nötig ist, um bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen. Derzeit haben wir eine prekäre Situation. Postdocs zum Beispiel erhalten häufig nur befristete Verträge, sie tragen aber den Hauptteil zum wissenschaftlichen Output einer Uni bei. Wenn der Vertrag ausläuft, müssen sie die Universität verlassen. In seltenen Fällen gelingt die Bewerbung auf eine der wenigen Professuren. Dadurch geht sehr viel Wissen verloren. Welches Unternehmen würde sich freiwillig so einen Wettbewerbsnachteil leisten?

STANDARD: Wieso hat man keine bessere Basis für die Wissenschafter geschaffen?

Pernicka: Entstanden ist dies aus dem Bedürfnis, die alten Beschäftigungsverhältnisse aufzubrechen. Da gab es Beamte an den Hochschulen. Der Wettbewerb in den Wissenschaften war unterentwickelt. Heute haben wir die gegenteilige Situation. Auch für wissenschaftlich hoch erfolgreiche Personen bieten die Universitäten nur prekäre Arbeitsbedingungen. In den USA ist die Situation völlig anders. Da gibt man jungen Leuten eine unbefristete Anstellung nach der Dissertation, genügend Mittel für die Forschung und damit alle Möglichkeiten. Sie müssen sich fachlich zwar laufend beweisen. Wenn ihnen das gelingt, brauchen sie aber nicht um die ökonomische Grundlage für ihre zu Arbeit kämpfen.

STANDARD: Geht es bei der Frage nach dem ökonomischen Kapital der Wissenschafter nur um die Lebensgrundlage und die Finanzierung von Projekten?

Pernicka: Nein, es geht weiter. Wissenschafterinnen und Wissenschafter müssen publizieren, wenn sie in der scientific community ernst genommen werden wollen. Sie schicken Arbeiten an große Fachzeitschriftenverlage - die dafür nichts zahlen müssen. Die Verlage verlangen aber horrende Summen für Zeitschriften-Abos, die die jeweiligen Universitätsbibliotheken dann im besten Fall bereitstellen, damit man am neuesten Stand der Forschung ist und sich über Arbeiten von Kollegen und Kolleginnen informieren kann. Nur was tun, wenn sich eine kleinere Universität diese Abo-Gebühren nicht leisten kann: Dann wird die Wissensbeschaffung schwierig und eine Beteiligung am internationalen Wettbewerb um die besten Ideen und Forschungsergebnisse kaum mehr möglich. Hier findet in den letzten Jahren eine unglaubliche Machtverschiebung zugunsten der großen internationalen Fachverlage und der wenigen finanzstarken Universitäten statt.

STANDARD: Woran misst man den Wert des Wissens noch - außer an unbezahlbaren Fachzeitschriften-Abos?

Pernicka: Es geht darum, verlässliches Wissen zu finden und anwenden zu können. Man muss sich fragen: Kann man sich in Zeiten von Google und Wikipedia wirklich auf das im Internet veröffentlichte Wissen verlassen? Vielen Internet-Usern ist nicht wirklich klar, dass eine über die Suchmaschine gefundene Information schon bald verschwunden sein kann, weil die Inhalte gelöscht wurden. Das Internet ist eine vergängliche Wissensbasis. Damit müsste man schon Jugendliche in der Schule konfrontieren und mit ihnen die Auswirkungen diskutieren. Man sollte dabei auch darüber reden, welche Bedeutung eine Information in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter hat. Die Gesellschaft muss sich fragen, wie objektiv dieses Wissen sein kann. Jede Statusmeldung ist rein subjektiv, und selbst wenn ich eine banale Information weitergebe, will ich damit etwas aussagen.

STANDARD: Kann man das Wissen und seinen Wert in Zeiten von Google und Co überhaupt noch effektiv schützen?

Pernicka: Man muss es sogar. Es gibt vermehrt Fälle von Übertretungen, die nun diskutiert werden. Man muss vor allem rechtliche Rahmenbedingungen schaffen, um mit der Technologie umgehen zu können. Darin muss klar festgelegt werden, was möglich ist und was nicht. Darf Google Books zum Beispiel ein Buch von mir für die User zugänglich machen, ohne mich zu fragen? (DER STANDARD, Printausgabe, 23.03.2011)